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OPERN-KRITIK: OPÉRA DE LYON – MEFISTOFELE

Irdische Heerscharen

(Lyon, 13.10.2018) Der bildstarke La Fura del Baus-Regisseur Àlex Ollé und der genialische junge Musikdirektor Daniele Rustioni beweisen den kaum bekannten Ausnahmerang des komponierenden Librettisten Arrigo Boito.

Daniele Rustioni balanciert Kantabilität und Überwältigung, südliches Melos und nordische Klarheit ideal aus.

Zu einem wirklich großen Opernabend wird die Neuproduktion freilich durch Daniele Rustioni, sein Orchester und seinen Chor. Der junge italienische Musikchef in Lyon balanciert Kantabilität und Überwältigung, südliches Melos und nordische Klarheit ideal aus. Arrigo Boito, der Germanophile, verbeugt sich schließlich in „Mefistofele“ vor Goethe und amalgamiert dazu die Musiksprachen der Antipoden Verdi und Wagner in einem gleichwohl ganz eigenen Personalstil. Die „Lohengrin“-Anklänge sind so deutlich hörbar wie jene an den „Freischütz“. Boitos melodische Erfindungsgabe bleibt dabei zutiefst in der Tradition seiner Heimat verbunden.

Daniele Rustioni arbeitet die diversen Schichten der Partitur mit lustvoller Exaktheit heraus. Druckvoll und passionsprall lotet er die multiplen Steigerungszüge der Chöre aus, die in Lyon mit einer wonnevollen Wucht und Qualität von Weltgeltung gesungen werden. Am Ende schneidet Mefistofele zwar Faust die Gurgel durch. Die leitmotivische Wiederkehr des „himmlischen“ Chors der Liebe setzt seiner Tat indes ein musikalisches Zeichen entgegen: Die freilich absolut irdischen Heerscharen verschlingen Mefistofele in den Sieg.

Peter Krause, concerti.de

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