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Was Machtpolitik bedeutet
Ein aufrüttelnder «Don Carlos» krönt das Verdi-Festival an der Opéra de Lyon. Deren Intendant hat sich gerade mit solchen Themenfestivals für die Leitung der Bayerischen Staatsoper qualifiziert.
...Und Chöre und Orchester werden rhythmisch inspiriert und klanglich glanzvoll geführt von Daniele Rustioni; der ist neu in Lyon, 34 Jahre jung, und seit dieser Saison amtierender Chefdirigen.
Italienische Verhältnisse
Rustioni ist ein Perfektionist, das italienische Fach seine Leidenschaft. Mit Rossini, Donizetti, Verdi hatte er sich in seiner kurzen Karriere, massgeblich gefördert in Covent Garden von Antonio Pappano, rasch einen Namen gemacht, jüngst auch mit Puccinis «Madama Butterfly» am Opernhaus Zürich. Im Dauereinsatz steht er jetzt bei den Verdi-Tagen der Lyoner Oper jeden Abend im Graben, manchmal auch noch morgens, zu Extraproben, und feilt und schraubt die musikalische Leistung hörbar immer höher. Neben dem neuen «Carlos» und der Wiederaufnahme einer «Macbeth»-Produktion von 2012 (Regie: Ivo van Hove) dirigiert Rustioni auch noch «Attila» konzertant im Auditorium Maurice Ravel.
Die Besetzung, die er für diese ensemblestarke patriotische Choroper zusammenstellte, ist, mit unter anderem Tatiana Serjan und Dmitri Oulianov, wirklich erstklassig, etliche Belcanto-Fans kommen zu dem fulminanten Sängerfest offenbar eigens von weither angereist, die Stimmung in dem rund 2000 Plätze fassenden Saal steigert sich mit dem zweiten Aufzug von Nummer zu Nummer und droht schliesslich stadionartig zu werden: italienische Verhältnisse! Lyon ist Opernstadt und Talentschmiede zugleich, keine Frage. 
Neue Zürcher Zeitung, Eleonore Büning

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