REVIEWS | OÖ Nachrichten

Linzer Brucknerhaus: Konzert mit dem Orchestra della Toscana unter Daniele Rustioni
Wenn Propheten nicht gehört werden wollen

Würde man nur die 100 beliebtesten Symphonien spielen, dann hätte das Publikum wahrscheinlich bald die Nase voll. Steht wie beim Konzert mit dem Orchestra della Toscana unter Daniele Rustioni am Montag im Brucknerhaus scheinbar Unbekanntes auf dem Programm, dann kommt man gleich gar nicht, denn das könnte ja schiefgehen. Nur sollte man bedenken, dass niemand gerne stundenlang probt und übt, wenn die Werke keinen künstlerischen Wert hätten.

Das kann man weder von Mendelssohns Revolutionssymphonie, von der man wenigstens den Namen des Komponisten kennt, noch von Mario Castelnuovo-Tedescos 2. Violinkonzert behaupten, das immerhin Jascha Heifetz und Arturo Toscanini 1933 aus der Taufe hoben und seitdem einen fixen Platz im Repertoire nicht engstirnig dem Mainstream nacheifernder Geiger hat. Der 1939 vor dem faschistischen Regime in Italien geflohene Komponist jüdischer Abstammung bezieht in diesem groß ausladenden Werk Stellung zur eigenen Religion und charakterisiert in den drei Sätzen die drei großen Propheten Jesaias, Jeremias und Elias. So wird das "I profeti" betitelte Konzert zum klangvoll schönen, höchst ästhetischen und doch politisch unbequemen Mahner für die Menschheit.

Diese Rolle hat die famose Geigerin Francesca Dego übernommen und den höchst virtuosen, klanglich stets aus dem Vollen schöpfenden Violinpart beeindruckend realisiert, die technischen Belange stupend gemeistert und dabei höchste Musikalität walten lassen. Gemeinsam mit dem ebenso prächtig musizierenden Orchester entstand so eine überzeugende Interpretation eines viel zu wenig beachteten Werks, das ganz in spätromantischer, bisweilen impressionistischer Tradition steht und dennoch inhaltlich höchst am Puls der Zeit ist.

Fein auch die "Skizzen zu einem Credo" (Appunti per un Credo) von Giorgio Federico Ghedini, für das Daniele Rustioni den genauso idealen Zugang gefunden hat wie zu drei impressionistischen Bach-Bearbeitungen von Ottorino Respighi (Tre Corali). Diese Rückwendung auf Bach aus dem Blickwinkel der 1930er-Jahre schlug dann auch die Brücke zur Reformationssymphonie, in der Mendelssohn das 300. Jubiläum des Augsburger Bekenntnisses mit Choralzitaten weidlich zelebriert. Daniele Rustioni, Chefdirigent der Opéra National de Lyon, wählt eine ebenso jubilierende Perspektive...

...Fazit: Ein herausforderndes Programm, das mit großem Interesse aufgenommen wurde...

Michael Wruss, OÖ Nachrichten


D R