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OPERN-KRITIK: OPÉRA NATIONAL DE LYON - DIE ZAUBERIN
Wahnsinn mit Methode

Tschaikowskys beste Oper erlebt durch Regisseur Andriy Zholdak und Musikdirektor Daniele Rustioni ihre heimliche Neukreation
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Sahnesopran trifft Trüffeltenor

Die multiplen Schauwerte dieses ganz großen Regiewurfs gleichen nach den vier unglaublich intensiven Stunden geradewegs einer Neu-Kreation von Peter Tschaikowskys wiederentdecktem Wunderwerk. Und die Schaulust entspricht bis in die kleinste Nebenrolle hinein der Hörlust. Musikdirektor Daniele Rustioni bringt die überschäumende Partitur vollends zum Brodeln. Der Italiener demonstriert mit dem glanzvollen Orchester der Opéra de Lyon, wie sehr Tschaikowsky hier eine mitteleuropäische Oper geschrieben hat. Das passionspralle Phrasieren der schwelgerischen Melodik steht einem Puccini in Nichts nach. Die Besetzung der Hauptrollen gleicht zudem einer Sensation. Allen voran triumphiert Elena Guseva in der Titelpartie mit ihrem slawischen wie sahnigen, blühenden wie erdigen Edelsopran. Migran Agadzhanyan als Prinz steht ihr mit seinem betörendem Trüffeltenor, in dem sein Cavaradossi oder Don Josè nachklingt, in nichts nach. Auch das Fürstenpaar ist mit der Mezzowuchtbrumme Ksenia Vyaznikova und dem vielfach im italienischen Fach reüssierenden Bariton Evez Abdulla perfekt besetzt. Das Frühjahrsfestival der Opéra de Lyon beginnt mit einem Ausrufezeichen. Wo sonst wird derzeit besseres Musiktheater gemacht?

Peter Krause, Concerti.de

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